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Zielvorgaben, Reporting und Vertriebsmeeting in Frankreich

Veröffentlicht am | Von Gilles UNTEREINER

 Zielvorgaben

Hier kommen viele interkulturelle Parameter zum Tragen. Französische und deutsche Mitarbeiter lassen sich nicht nach einer Norm motivieren und führen.
Was bei dem einem Ansporn ist, blockiert den anderen.

Langfristige Effizienz bedarf Zielstrebigkeit.

"If you don’t know where you want to go, the chances to get there are quite low” (Schottische Weisheit).

Dabei können Ziele sehr unterschiedlich sein:

  • Zielorientierung in Form von Mittel-/ Prozess-Orientierung (genaue Definition von Aufgaben und Schritten zu deren Ausführung);
  • Zielorientierung in Form von Ergebnisorientierung (Umsatz, Umsatzsteigerung usw.);
  • Kollektive oder individuelle Ziele.

Deutschland

In Deutschland geht man davon aus, dass die Zielsetzung realistisch und angemessen sein muss, um keine demotivierende Wirkung auszulösen.

Die Formel für die in Deutschland optimale Zieldefinition lautet SMART:

  •  S – Spezifisch;
  • M – Messbar;
  • A – Anspruchsvoll;
  • R – Realistisch;
  • T – Terminiert.

Man besteht auf eindeutige Anweisungen und auf die Festlegung der einzelnen Maßnahmen und Meilensteinen, das heißt man braucht klare Aktionspläne. Soziologen bezeichnen das als "Mittel-/ Prozessorientierung".

Außerdem sind Ziele hauptsächlich Kollektivziele.

Bei Individualzielen suchen Mitarbeiter ständig „Ausreden“ dafür, weshalb sie ihre Ziele nicht erreichen können. Dabei verbringen sie mehr Zeit mit der Rechtfertigung als mit ihren eigentlichen Aufgaben. Zu jeder Lösung, die man ihnen dann anbietet, finden sie das „passende Problem“.

Frankreich

Individualisten sind es gewohnt, mit ihren Mitmenschen im Wettbewerbsverhältnis zu stehen. Sie wollen an persönlichen und individuellen Zielen gemessen werden.

Außerdem brauchen sie eine größtmögliche Autonomie und dementsprechend auch ergebnisorientierte Zielvorgaben, zum Beispiel Key-Performance-Indikatoren (KPIs).

Verkaufsziele sowie mögliche Anreize müssen von den Vorgesetzten definiert werden.

Für das Festlegen der Ziele kann man folgende Tools nutzen:

  • Vergleich zu dem Mitbewerber;
  • Vergleich zu den Markttendenzen;
  • Vergleich der Umsätze/ Gebietspotenziale der einzelnen Vertriebsmitarbeiter;
  • Vergleich mit früheren Zahlen (Listung der Bestandskunden, Klassifizierung in A,B,C-Kategorien);
  • Auflistung der Umsätze pro Produkt pro Kunde auf drei Jahre;
  • Festlegen eines individuellen Ziels pro Kunde pro Produkt.

In französischen Unternehmen besteht die Aufgabe der Vertriebsleitung letztendlich in der Identifizierung von Schwachstellen, um somit dem Mitarbeiter zu beweisen, dass zusätzliche Anstrengungen und dementsprechendes Planen von Aktionen erforderlich sind.

Motivation: Man sollte auch durch Provisionen für die Motivation der Außendienstmitarbeiter sorgen:

  • Prämienbasiert auf den Umsatz inkl. Progressionsstufen;
  • gezielte Boni (für den ersten Besuch von potentiellen A-Kunden, für einen ersten Auftrag, usw.). Diese müssen nicht unbedingt finanzieller Art sein, sie können auch aus Reisen oder Ähnlichem bestehen (Incentives).

Dabei sollten drei Szenarien vorgesehen werden:

  • Worst case: Das Minimalziel - kein Bonus;
  • Common case: Das realistische und erreichbare Ziel - mittlerer Bonus;
  • Best case: Das Maximalziel (der Traum) - hohe finanzielle Anreize (Boni) und Incentives (Reisen, Geschenke, usw.).

Auch hoch angesetzte Ziele werden bei entsprechender Honorierung (Boni, Incentives) akzeptiert. Herausforderungen - „des challenges et se dépasser“ („Herausforderungen und sich selbst übertreffen“) gehören zum vertrieblichen Ethos.

Man sollte sich nicht scheuen, ehrgeizige Ziele zu setzen, die man nur „mit heraushängender Zunge erreicht“ („en tirant la langue“).

Reporting in Frankreich

„Franzosen lassen sich nicht gerne in die Karten schauen und gewähren ungern Transparenz“ - behauptete einst ein deutscher Vertriebsleiter.

Diese Äußerung ist wahr und falsch zugleich:
Wahr ist sie dann, wenn man es als selbstverständlich betrachtet, dass Reporting schriftlich ist.
Falsch ist sie dann, wenn man auch verbale Kommunikation als Reporting betrachtet.

Begegnet ein Manager seinen Mitarbeitern stets mit einem offenen Ohr und organisiert regelmäßige Mitarbeitergespräche und Vertriebsmeetings, so verfügt er in der Regel über alle Informationen zur erfolgreichen Steuerung des Vertriebs.

Trotzdem sollte man  – auch wenn es für die Mitarbeiter quälend sein mag – auf die Lieferung schriftlicher Informationen bestehen.

Franzosen erstellen nur ungern Tätigkeitsberichte zur Anzahl der telefonisch angesprochenen Unternehmen, zur Anzahl der geplanten oder getätigten Besuche, zur Anzahl der Angebote, zu offenen Angeboten mit Erfolgsprognosen, usw. Sie sind der Meinung, dass sie nicht anhand ihrer Alltagsabläufe, sondern anhand ihrer Ergebnisse bewertet werden sollten.

Analytische Berichte über Marktgegebenheiten und -tendenzen kann man von Absolventen der Business Schools erwarten, jedoch nicht von einem technischen Vertriebsmitarbeiter.

Bei diesem sollte man auf Besuchsberichte bestehen, um jeden Verkaufsakt zu optimieren, und um Kaffeefahrten und Besuche von „Smileys“ zu vermeiden.

Strukturierung des Besuchsberichts

Vorbereitung des Besuchs:

  • Was ist der Anlass des Besuchs? Welches Ziel soll erreicht werden?
  • Wer wird besucht?
  • Welche Position hat der Gesprächsteilnehmer inne?
  • Werden weitere Entscheidungsträger am Gespräch teilnehmen?

Verkaufsgespräch:

Bedarfs- und Motivationsanalyse: Katalog der offenen Fragen und Katalog der geschlossenen Fragen

  • Unsere Argumentation und unser Angebot;
  • Fragen des Kunden und Zeitpunkt, zudem diese gestellt wurden (zu Beginn, in der Mitte oder nach der Argumentation);
  • Erwartungen des Kunden bezüglich Technologie, Sicherheit, Leistung und Preis;
  • Einwände oder neue Wünschen des Kunden;
  • Einsatz der vorbereiteten Gegenargumentationen.

Nachbereitung:

  • Was ist gut gelaufen? Was ist weniger gut gelaufen? Welche Optimierungsvorschläge ergeben sich daraus?
  • Neuqualifizierung der Verkaufschancen: Wert des Auftrags und Höhe der Wahrscheinlichkeit zum Erhalt des Auftrags/ der Auftragserteilung;
  • Neuklassifizierung der Kunden (A B C);
  • Was gilt es noch zu tun („to dos“)? Welche Entscheidungen sind noch durch das Unternehmen zu treffen?
  • Planung der nächsten Schritte: Wer macht was, wann, wie und wo? Ziel: Forcierung des Abschlusses.

Vertriebsmeetings in Frankreich

Schulungen und Coachings dienen dazu, die Arbeitsweise der Außendienst-mitarbeiter zu optimieren und somit deren Effizienz zu steigern.

Deutschland

In Deutschland genießt die Gemeinschaft Vorrang. Teamarbeit wird hoch geschätzt und Mitarbeiter werden im Rahmen eines klaren Karriereplans befördert.

Man muss also nicht jeden Tag seine Anerkennung unter Beweis stellen, muss sich nicht in allem behaupten, sondern strebt eher Annerkennung durch die Integration in der Gemeinschaft an. Idealerweise schwimmt man mit dem Strom und sucht den goldenen Mittelweg. Hervorgehoben werden die Erfolge der Gemeinschaft insgesamt.

Das Vertriebsmeeting dient also idealerweise weniger zur Stimulierung, als zur Produktschulung, Information und Übermittlung neuer Ideen und Anwendungsbeispiele.

Frankreich

Bei den Individualisten geht es nicht um Teamarbeit, sondern um Wettbewerb. Der Vergleich mit den Anderen ist ein fester Bestandteil aller sozialen Beziehungen.

Das Vertriebsmeeting ist ein Anlass zur „Emulation“ – ein Ansporn, mit dem man den Kampfgeist stimulieren möchte. Man hält den Wettbewerb unter den Mitarbeitern dadurch hoch, dass persönliche Leistungen besonders anerkannt und Champions gefeiert werden.

Die Mittel dazu: für Individualisten gelten die Zahlen als neutral und sind akzeptiert.

Man vergleicht die einzelnen Vertriebsmitarbeiter anhand folgender Themen:

  • Umsatz;
  • Top-Geschäfte;
  • neue Kunden: Wenn neue Kunden gewonnen wurden, sucht man nach neuen, noch nicht besetzten Nischen;
  • Verlorene Kunden: Gehen Kunden verloren, sucht man natürlich nach den Gründen dafür: Liegt es am Produkt? Am Wettbewerb? Oder woran sonst?
  • Zuletzt wird der Gewinner des Monats gekürt.

Anerkennung („Considération“) ist laut dem berühmten Philosophen Jean-Jacques Rousseau unentbehrlich. Auch Sigmund Freud betonte einst: „Man kann durchaus ein Übermaß an Lob verkraften”.

Dabei werden Einzelprämien - wie oben erwähnt - nicht nur finanzieller Art, sondern auch in Form von Geschenken, verteilt.

Anschließend wird der Wettbewerbsdruck weiter aufgebaut, indem Vergleiche zur Konkurrenz und deren Marktanteile angestellt werden.

Außerdem werden – für den Fall, dass mögliche, neue Produktapplikationen identifiziert wurden - Anregungen geliefert, auf deren Grundlage ein „business case“ erarbeitet wird. 

Schließlich will man die Mitarbeiter durch Brainstorming zur Nutzung ihrer Kreativität animieren.

Hier kann jeder seine Ideen einbringen, auch die verrücktesten, und diese mit der Meinung seiner Kollegen konfrontieren.

Im Großen und Ganzen geht es darum, die Außendienstmitarbeiter ständig unter „Spannung“ zu halten.

Dies bedarf sehr charismatischer Führungskräfte – „charismatic leadership“.

Bei solchen Veranstaltungen kann es vorkommen, dass nicht durchdachte, enthusiastische Ziele ohne konkreten Umsetzungsplan angekündigt werden. Das nennen die Franzosen „effet d’annonce“ – also Ankündigungseffekt. Damit bezeugen Manager, dass sie noch weitere Ideen für die Zukunft haben.

Wenn man ein Franzose damit motiviert kann, gilt es für den Deutschen als „das Wort zum Sonntag“: Für ihn ist der Effekt negativ, weil er das Gefühl hat, dass alles „hinter den Kulissen“ entschieden wurde.

Fazit: Vertriebsmeetings sollten unbedingt für deutsche und französische Mitarbeiter getrennt stattfinden.

Dies bezieht sich jedoch nicht auf alle Arten von Treffen. Festliche Veranstaltungen, wie etwa eine Jubiläumsfeier können und sollten gemeinsam stattfinden.

 

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