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Struktur des Angebots in Frankreich

Veröffentlicht am | Von Gilles UNTEREINER

Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich" 

Deutschland

In der Regel wird ein Angebot angefertigt, d.h., die Ideallösung nach eigenem Know-how im Sinne des „one best way“ von Taylor.
Das Angebot wird sehr detailliert – strikt nach dem Pflichtenheft – ausgearbeitet. Alle Preise werden bis ins kleinste Detail durchkalkuliert. Selbstverständlich bietet man, wenn möglich, abgesicherte Standardlösungen an, und falls der Kunde abweichende Vorstellungen hat, bietet man Standardlösungen mit Abänderungen an.

Das Angebot ist sehr detailliert.

Frankreich

Der Individualist hingegen will keine Standardlösungen, sondern Individuallösungen – tailor made solutions.
Der Polyvalente will beraten, aber nicht beeinflusst werden. Für ihn führen immer mehrere Wege zum Ziel. Er will sich selbst seine Meinung bilden! Im Sinne seiner Handlungsfreiheit will er nicht nur eine sogenannte beste Lösung, den „one best way“, selbst wenn diese Lösung aus Sicht des Lieferanten die Beste wäre. Er wird meist die Standardlösung abwehren, wenn nicht sogar ganz ablehnen. Ihm muss man verschiedene Szenarien vorstellen, das heißt, ein modulares und flexibles Angebot mit Optionen und Varianten unterbreiten, die modulare Lösung.

1) Das Basisangebot

Der Einstiegspreis sollte eine günstige Alternative darstellen und sich am aktuellen Budget des Kunden orientieren.
So kann man vermeiden, dass das Preisargument (deutsche Produkte bzw. Lösungen seien unbezahlbar) ständig aufkommt.
Da man sich jedoch vom Wettbewerb differenzieren will und nicht nur Basislösungen anbieten will, empfiehlt es sich, ein weiteres Angebot zu unterbreiten.

2) Das normale Angebot

Das Optimum nach dem Stand der Technik
Eine Lösung, die aus Lieferantensicht (nach bestem Wissen und Gewissen) die Ideallösung darstellt. Das „Basisangebot plus unsere erprobten Optionen, Varianten und Verbesserungen“.
Letztlich muss es auch eine dritte Option geben:

3) Das Spezialangebot

Sonderwünsche des Kunden erfordern zusätzlichen Forschungs- und Entwicklungsaufwand.

In diesem Fall muss die Innovationslust des Kunden befriedigt werden. Hier sollte man den „Puzzle Effekt“ bei Verhandlungen in Frankreich nicht vergessen. Unser Ansprechpartner mag in der ersten Stufe der Verhandlung noch einen Kreativitätsdrang verspüren und somit wirklich innovative Lösungen anstreben.
Hier vermag die iterative Verhandlung ständig neue Sonderwünsche generieren.
An dieser Stelle braucht er kreative Lieferanten mit entsprechender Expertise; er ist normalerweise bereit, für diese Expertise auch zu zahlen.

Daher entsteht bei vielen deutschen Unternehmen der Eindruck, dass Franzosen ständig Extrawünsche äußern und die Lieferanten als „eierlegende Wollmilchsau“ betrachten (die diese selbst als „moutons à 5 pattes“, als fünfbeinige Schafe bezeichnen).

Wenn der Kunde besondere Vorstellungen äußert, sollte man diese nicht einfach ablehnen, weil man sie als unrealistisch betrachtet, oder man einfach nicht in der Lage ist, diese zu erfüllen.

Ein Ablehnung aus Sicherheitsgründen oder wegen anderer Bedenken wird von Franzosen als Ausrede und Fantasiemangel angesehen. Ein „Gibt es nicht“, darf nicht sein. «Là où il y a une volonté, il y a un chemin», «vouloir c’est pouvoir» („Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“) heißt es in Frankreich.

Unkonventionelles ist durchaus erwünscht. Der Lieferant sollte Bereitschaft zu extremer Kreativität zeigen und erfinderischen Geist beweisen, verbunden mit der Bereitschaft zum Eingehen von Risiken. Es herrscht die allgemeine Meinung, eine 80-prozentige Lösung sei eine gute Lösung – und damit besser als gar keine!

Bei einem noch unverbindlichen Angebot sollte man stets auf folgende Punkte hinweisen:

  • Methoden und Mittel, die zum Erreichen des Ziels eingesetzt werden müssen;
  • Neuentwicklungskosten, die durch Machbarkeitsstudien und Testläufe anfallen (dies können zwar Richtpreise sein, allerdings sollte man alles einkalkulieren was anfallen könnte);
  • Risiken, die sich bei der Neuentwicklung im Vergleich zur Standardlösung ergeben;

Dies bedarf sehr geschickter, flexibler und kommunikationsstarker Kaufleute.

Abgesehen davon darf sich ein Angebot nicht nur auf die Auflistung seiner technischen Merkmale beschränken.

Nutzen und Vorteile für den Kunden müssen durch stichhaltige Argumente hervorgehoben werden.

Inhalt des Angebots

Im Angebot geht man nicht unbedingt bis ins Detail.

Man muss aber eine allgemeine Bestandsanalyse liefern, in welcher demonstriert wird, dass man das Bedürfnis des Kunden begriffen und dementsprechend das passende Angebot ausgearbeitet hat.

Es gilt die Ist-Situation des Kunden zu schildern, die aufgenommenen Wünsche des Kunden aufzulisten und dann die verschiedenen Lösungsansätze darzustellen.

Dabei sollte man die Vorteile der verschiedenen Optionen schlüssig darstellen.

Empfehlungen zur Rhetorik:

Nutzen Sie dieselben Wörter wie der Kunde und beweisen Sie so, dass Sie ihn und seine Situation verstanden haben (Paraphrasieren – „Reformuler“, sagen die Franzosen dazu)

Mögliche Entscheidung des Kunden

Für welche Lösung wird sich der individualistische Kunde entscheiden? Die Basislösung, die „normale“ Lösung oder die Speziallösung?

Modernisten wollen Innovation und ausgeprägte „Originalität“. Neue Lieferanten sind gerne gesehen, gerade deshalb, weil sie gegebenenfalls etwas anderes anbieten. Oft bringt man Lieferanten in Frankreich dazu, bis an ihre äußersten Grenzen – bis an ihre äußersten Kapazitäten – zu gehen.

Mit größter Wahrscheinlichkeit wird man den Lieferanten anhand der „Solution originale“, der Speziallösung testen – selbst unter der Inkaufnahme eventueller Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Ganz anders als in Deutschland, wo man meistens Lieferanten zuerst mit Standardlösungen testet.

Diese Risikobereitschaft des Kunden ist eine echte Chance. Aufgrund seiner Innovationsbereitschaft ist der Kunde bereit, unkonventionnelle Wege zu gehen. Das heißt, er bietet dem neuen Lieferanten die Gelegenheit, neue Verfahren und Modelle zu testen.

Abgesehen davon ist er meistens auch bereit, sich an den Kosten zu beteiligen. Somit finanziert der Kunde einen Teil der Forschung und Entwicklung (F&E) des Lieferanten.

Spezifische Lösungen bewirken auch eine echte Kundenbindung. Denn von diesem Zeitpunkt an ist der Kunde auf genau dieses Know-how angewiesen.

Vorsicht:

Der Kunde zahlt meistens die Entwicklung, die in dem Angebot als kostenpflichtig angekündigt ist. Bei späteren kleineren Änderungswünschen geht man davon aus, dass diese im Preis enthalten sind.

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