Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich"
Unternehmen, die über ein leistungsstarkes, erklärungsbedürftiges Industrie-Know-how verfügen und Key Accounts ansprechen wollen, ist die Direktakquise empfohlen und dafür einen lokalen Vertriebsmitarbeiter einzusetzen.
Der „Mann der ersten Stunde“ darf keinesfalls ein Quereinsteiger sein. Die Erschließung eines ausländischen Marktes bedarf der Rekrutierung von äußersten Vertriebsprofis:
- mit einschlägigen Kontakten in der Branche, das heißt eine bestehende Kundschaft,
- die über Erfahrung, wenn möglich mit denselben oder mit verwandten Produkten, verfügen,
- mit den entsprechenden Vertriebseigenschaften, das heißt strategisches Denken und Durchsetzungsvermögen,
- deren Muttersprache Französisch ist,
- mit den französischen Vertriebs- und Verhandlungstechniken geläufig sind.
Dabei sollte das Beherrschen der deutschen Sprache kein KO Kriterium sein.
Diese Spezialisten findet man am besten durch professionelles Head Hunting.
Ausbildungssystem
Da deutsche Unternehmen meist hoch entwickelte, erklärungsbedürftige Produkte vertreiben, werden dementsprechend technisch qualifizierte Mitarbeiter im Außendienst gebraucht.
Generell werden in Frankreich viel weniger Ingenieure ausgebildet als in Deutschland.
Daher haben diese eine recht große Auswahl an beruflichen Tätigkeiten, wobei sich nur die wenigsten für Vertriebsaktivitäten interessieren. Ingenieure, die Vertriebsaufgaben wahrnehmen, bilden in Frankreich eher die Ausnahme.
Nur 2,1 Prozent der französischen Ingenieure sind im Vertrieb tätig.
Somit ist man oft auf Vertriebsmitarbeiter ohne fundierten technischen Hintergrund angewiesen. Davon werden in Frankreich ganze „Legionen“ ausgebildet.
Parallel zur Universität gibt es in Frankreich eine Reihe von „Management Schulen“, die Ecoles de commerce. Die Top zehn dieser Ecoles de Commerce nennen sich „Grandes Ecoles“ und haben das Ziel der Manager-Ausbildung (nicht der Ausbildung von Außendienstmitarbeitern).
Die anderen beinhalten Marketing und Vertrieb als wesentliche Teile ihres Angebotes und bringen gut ausgebildete Hochschulabsolventen mit Vertriebspotenzial auf den Markt. Ungefähr 200 dieser Schulen bieten eine deutsch-französische, grenzüberschreitende Ausbildung an, wobei der Unterricht dort teilweise auf Deutsch stattfindet.
Für den Vertrieb von nichterklärungsbedürftigen Produkten ist diese Art von Ausbildung ideal.
Für Positionen im technischen Vertrieb kann man auf Absolventen des IUT (Institut Universitaire de Technologie) oder des BTS (Brevet de Technicien Supérieur) zurückgreifen.
Diese Studiengänge bieten eine zweijährige, technische Ausbildung, die oft durch ein weiteres Jahr Vertriebsschulung ergänzt wird. Aufgrund der Karriereplanung in Frankreich haben diese Absolventen selten Aufstiegschancen in Managementpositionen, so dass der Vertrieb für diese Gruppe eine echte Chance darstellt.
Karriereplanung
Deutschland
In Deutschland wird generell eher der innerbetriebliche Aufstieg - ohne übermäßige Karrieresprünge - bevorzugt. Man fängt „unten an“ und steigt intern auf. Man wächst quasi langsam im Unternehmen mit. Theoretisch und praktisch wird man nach dem Motto „man kann nur führen, wenn man die Arbeit schon selbst getan hat“ Nachfolger vom Chef.
Darüberhinaus bleibt man meistens im gleichen Bereich und kann so seine Erfahrung ständig vertiefen.
Die Karriereplanung ist relativ sicher im Rahmen transparenter Karrieremechanismen, was mit einer „Prämie“ für lange Betriebszugehörigkeit zu vergleichen ist.
Dies führt letztlich auch zu einer starken Personalbindung.
Frankreich
In Frankreich tendiert man eher zum angelsächsischen Modell.
Während Mitarbeiter selbstverständlich auch innerhalb der Unternehmen befördert werden, wird dort der externe Aufstieg systematisch praktiziert. Unter anderem verfolgt man dabei das Ziel, neue Kompetenzen und Kenntnisse zu erlangen – ganz nach dem Motto „Die Innovation ist bedingt durch die Kreuzung verschiedenen Fachwissens“. Dementsprechend gibt man auch Quereinsteigern eine Chance.
Die berufliche Entwicklung hängt in Frankreich nicht von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, sondern von der Leistung ab. Für sogenannte „Champions“ kann es sehr schnell Beförderungen geben, aber umgekehrt auch einen ebenso schnellen Abstieg.
Ein römisches Sprichwort besagt „der Tarpejische Fels liegt nahe beim Kapitol“ (Der Fels, von dem zum Tode Verurteilte hinunter geworfen wurden).
Die Mitarbeiter stehen ständig unter Druck.
Zusätzlich dazu spielt, insbesondere in höheren Führungsetagen, das Diplom eine größere Rolle als die Erfahrung. Ein Diplom zu haben ist ein Beweis von Intelligenz und Polyvalenz. Nur ein Diplom garantiert einen höheren Rang.
Innerhalb der „Grandes Ecoles“ gibt es eine Klassifizierung der Schulen und damit verbundene landesweite Rankings, was einen starken Wettbewerb der Schulen untereinander verursacht. In den Schulen wiederum gibt es auch ein Ranking aller Schüler.
Die besten Absolventen der Eliteschulen können in der Regel einen schnellen und stetigen Aufstieg erwarten.
Die Mitarbeiter, die nicht über ein Diplom einer Eliteschule verfügen, müssen besondere Karrierestrategien entwickeln, wenn sie befördert werden wollen.
In kleinen Unternehmen hat man meistens keine andere Wahl als den Jobwechsel. Im Durchschnitt wechseln Außendienstmitarbeiter alle drei bis fünf Jahre, insbesondere zu Beginn ihrer Karriere, weil sie viele Erfahrungen sammeln wollen.
In großen Unternehmen können Mitarbeiter mehrere Strategien entwickeln:
- Sich durch eine besondere Leistung bzw. durch besondere „Achievements“ hervorheben. Das kann jedoch mitunter zu riskanten Entscheidungen führen;
- Sich durch eine außergewöhnliche Einsatzbereitschaft hervorheben.
Bis zu der 35-Stunden-Woche war das zeitliche Engagement der Führungskräfte sehr hoch.Es wird immer noch erwartet, dass sie ein überdurchschnittliches Arbeitspensum leisten, und man findet sie öfters bis spät abends im Unternehmen; - Wenn Leistung und Einsatzbereitschaft für die Karriereplanung nichts bringen, wechseln auch hier die Franzosen gerne das Unternehmen.
Damit entsteht, insbesondere bei Außendienstmitarbeitern, eine sehr hohe Fluktuation, die zusätzlich durch eine Form von interner Fluktuation noch gefördert wird, die so gennante Mobilité.
Die französische „Mobilité“
Individualisten gehen davon aus, dass man mit normaler menschlicher Intelligenz so ziemlich jeden Job erledigen kann, und dass der Erfolg in der Flexibilität sowie in der Reaktionsschnelligkeit liegt. Wenn sich am Markt etwas ändert, muss man schnell „umsatteln“ können, so dass man bei einer sich neu bietenden Gelegenheit schnell zum Zuge kommt.
Dafür braucht man flexible und einsatzbereite Mitarbeiter. Diese Eigenschaften sollen durch die „Mobilité“ (Mobilität) erreicht werden. Dies bedeutet, dass Führungskräften und potenziellem Führungskräftenachwuchs in regelmäßigen Abständen (alle paar Jahre) neue Funktionen, unter Umständen sogar komplett andere, als die ihnen vertraute, zugewiesen werden.
Gegebenenfalls werden sie sogar einem anderen Geschäftsbereich („Business Unit“) zugewiesen. Sie müssen umziehen - unter Umständen auch in ein anderes Land, selbst wenn sie die dort gesprochene Sprache nicht beherrschen.
In Deutschland ist all dies ein „Side Step“, also ein Verlust der eigenen Kernkompetenz, aber in Frankreich organisiert man sogar «réunions de mobilité», also Meetings zur Förderung der „Mobilität“!
Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiter dazu neigen, ihre Kompetenzbereiche auszuweiten und zu diversifizien. Um unentbehrlich zu werden (se rendre indispensable), streben sie einen immer breiteren Kompetenzbereich an. Somit tendieren sie im Gegensatz zu den Deutschen, die sich zunehmend spezialisieren, immer mehr zur Polyvalenz.
Mobilität und Fluktuationen führen zu einem sehr großen Know-how-Verlust, was den Franzosen jedoch nicht nicht bewusst ist.
Da die Karriereplanung nicht immer transparent ist, und der Aufstieg selten von der tatsächlichen, fachlichen Leistung, sondern eher vom „Vitamin B“ (B wie Beziehung) abhängt, ist es unabdinglich, gute Beziehungen zu allen zu entwickeln.
Merke: Wichtig ist nicht nur, was Du kannst, sondern wen Du kennst!
Das „Beziehungskapital“ muss ständig ausgebaut werden. Es werden Netzwerke gebildet, die auf gesellschaftlicher Herkunft, Schulen usw. basieren, die teilweise sogar in „Seilschaften“ umgewandelt werden.
Verschiedene Schulen publizieren sogar das Verzeichnis der Alumni, so dass die ehemaligen Hochschulabsolventen erkennbar sind.
Hier heißt es: Work, but also network!
Dies verstärkt das Empathievermögen der Franzosen beträchtlich.
Positive Aspekte des Personalwechsels aus Lieferantensicht
Die Mobilität verursacht einen permanenten Wechsel der Ansprechpartner - im Einkauf, in der Technik sowie auf Managementebene.
Dies ist ein Nachteil für die Stammlieferanβten, die trotz langjähriger Beziehung ständig neue Kontakte herstellen und pflegen müssen. Dies ist aber eine Chance für Neuankömmlinge, die bereit sind, den neuen Ansprechpartner durch Produktschulungen, Werksbesichtigungen oder andere Informationen mit Rat und Tat zu unterstützen. Hier gilt es Zeit zu investieren, um „intuitu personnae“ („einen guten Draht“) zum neuen Ansprechpartner herzustellen.
Besonderheiten des französischen Vertriebs
In Frankreich werden viele Außendienstmitarbeiter ausgebildet. Diese verfügen über ein fundiertes Marketingswissen und sind für die telefonische Direktakquise geschult worden.
Aus diesen Absolventen werden oft aggressive Verkäufer, echte „Hunter“ (Jäger) und eloquente Key Accounts Manager (KAM), was bedeutende Auswirkungen auf die Frage der Organisation des Vertriebs hat.
Wichtig: Weibliche Außendienstmitarbeiter werden in Frankreich ohne weiteres akzeptiert.
Suchmethoden
Anzeigenschaltung in Printmedien
Verschiedene Medien verfügen über einen adäquaten Stellenmarkt.
Für die Anzeigenschaltung in überregionalen Tageszeitungen, wie bspw. Figaro, l’ Express oder le Point muss man für eine Standardanzeige zwischen 100 x 70 mm und 100 x 160 mm mit einem Preis von 3.000 bis 8.000 Euro rechnen.
Für die Anzeigenschaltung in regionalen Medien muss man für eine Standardanzeige zwischen 100 x 70 mm und 100 x 160 mm mit einem Preis von 3.000 bis 5.000 Euro rechnen.
Fachzeitschriften, wie z.B. USINE NOUVELLE oder LSA (Libres Services Actualités), dienen hauptsächlich der Suche nach technischen Mitarbeitern. Hier sollte man für eine Standardanzeige zwischen 4.000 und 6.500 Euro einkalkulieren.
Anzeigenschaltung in Onlinemedien
Frankreich zeichnet sich durch eine besondere Jobbörsenvielfalt aus.
Vorsicht
Die einzelnen Preise sind zwar ähnlich wie in Deutschland, allerdings bieten die meisten Medien nur einzelne Regionen an, so dass eine flächendeckende Anzeigenschaltung sehr kostenaufwändig sein kann.
Eine gute nationale Abdeckung bedarf der Schaltung mehrerer Medien, wobei sich die Durchschnittskosten auf ca. 4.000 Euro belaufen.
Vorteil
Die Anzeigenschaltung in Online-Jobbörsen generiert mittlerweile wesentlich mehr Bewerbungen als die Anzeigenschaltung in Printmedien.
Nachteil
Der deutsche Arbeitgeber erwartet detaillierte Unterlagen. Generell sind aber Bewerbungsunterlagen in Frankreich nicht sehr informativ. Dies gilt insbesondere für Bewerbungen bzw. Lebensläufe, die per Internet versendet werden. Da Franzosen gerne des öfteren ihre Tätigkeit wechseln, und Polyvalente davon ausgehen, dass kluge Leute mit gesundem Menschenverstand sich überall anpassen können, bewirbt man sich nicht selten auf Positionen in Branchen, in denen man keinerlei Erfahrung hat.
Aus diesen beiden Gründen erhält man viele, nicht passende Bewerbungen. Scheint eine Bewerbung doch zutreffend, ist sie wahrscheinlich nicht ausführlich genug. Somit muss man den interessant scheinenden Bewerber anrufen, um einen fundierten Eindruck von ihm gewinnen zu können. Dementsprechend kann eine Rekrutierung sehr zeitaufwändig sein.
Head Hunting
Opportunisten fühlen sich selbstverständig durch eine Ansprache in Verbindung mit einem Jobangebot geehrt.
Außerdem ist, im Gegensatz zu Deutschland, die Gefahr eines Counter Offers, das heißt eines Gegenangebotes des aktuellen Arbeitgebers sehr gering, da französische Arbeitnehmer nicht systematisch ihrem Arbeitgeber ihr Wechselvorhaben kommunizieren.
Daher ist Head Hunting in Frankreich wesentlich ergiebiger als in Deutschland.
Diese Rekrutierungsmethode ist somit sowohl zur Besetzung außergewöhnlicher Positionen, als auch bei der Suche nach dem „Vertriebsmitarbeiter der ersten Stunde“ zu empfehlen.
Kandidaten, die abgeworben werden, bringen Branchenkenntnisse sowie oftmals auch einen bereits vorhandenen Kundenstamm mit.
Selbstverständlich sind diese Kandidaten „teurer“ als Bewerber, die sich auf eine Anzeige hin gemeldet haben. Der Aufpreis (sowohl in Form von Gehalt als auch in Form von Sicherheit, wie zum Beispiel Mindesteinstellungsdauer, verlängerte Kündigungsfristen usw.) beträgt meistens 30 Prozent.
Auch wenn dies nicht im Budget vorgesehen ist, sollte man in Anbetracht der entscheidenden Funktion des ersten Vertriebsmitarbeiters – also „dem Mann der ersten Stunde“ - den Aufpreis in Kauf nehmen.
Im Vorfeld einer Direktansprache ist eine Liste von Zielunternehmen zu definieren. Diese besteht üblicherweise aus direkten Mitbewerbern. Allerdings ist es empfehlenswert, auch Vertriebsmitarbeiter von Unternehmen, die eine komplementäre Produktpalette anbieten, anzusprechen. Auf diese Weise verursacht man keine allzu große Unruhe auf dem Markt. Dies könnte zur Folge haben, dass die sich bedroht fühlenden Wettbewerber zu wirksamen Gegenmaßnahmen greifen. Außerdem vermeiden Sie so ebenfalls, ihr Image bei den Kunden zu gefährden.
Profildefinition
Bei der Definition des Profils sollte folgendermaßen priorisiert werden:
- Branchenerfahrung und Vorhandensein eines bestehenden Kundenstammes bzw. von Kontakten;
- Produkterfahrung (insbesondere bei technischen Produkten);
- Vertriebserfahrung und echte „Jäger-Eigenschaften“;
- prachkenntnisse: Hochschulabsolventen sprechen in der Regel Englisch. Deutsch sollte nur als „nice to have“ angesetzt werden, denn in Frankreich wird diese Sprache immer weniger gelernt. Oftmals stellt der Parameter „Sprache“ ein Auschlusskriterium dar. Das ist jedoch eine Fehlentscheidung. Zunächst sollten die beruflichen Parameter wie Branchen- und Produkterfahrung berücksichtigt werden.
Will man perfekt zweisprachige Mitarbeiter, so sind diese von Anfang an sehr kostspielig. Beherrscht ein Bewerber eine Fremdsprache nur mäßig, besteht durchaus die Möglichkeit, ihm einen Crashkurs zu finanzieren. Denn falls die Position dem Bewerber eine interessante Karriereperspektive bietet, wird dieser hochmotiviert sein und innerhalb weniger Wochen große Fortschritte machen.
Eine derartige Investition lohnt sich, denn das Einstiegsgehalt wird geringer sein und die Maßnahme als solche stellt einen echten "Treuebonus" dar und führt zu erfolgreicher Mitarbeiterbindung.
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