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Leadership in Frankreich

Veröffentlicht am | Von Gilles UNTEREINER

 

Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich"  

 

“Ein Volk führen oder es begleiten?” - „Napoléon oder Sun Tsu?“

Die Dokumentation von Prozessen und sauberen Job Descriptions reichen nicht für ordentliche Abläufe. Nur tagtägliche menschliche Interaktionen garantieren dies. Management in Frankreich bedarf eines hohen Maßes an Empathie und eines bedeutenden psychologischen Einsatzes.

Deutschland

In gemeinschaftsorientierten Völkern erleben die Mitarbeiter einen langsamen, aber stetigen hierarchischen Aufstieg. Dazu bedarf es neben der Leistung auch eines positiven Verhaltens gegenüber der Gemeinschaft. Das heißt absolute Loyalität den direkten Vorgesetzten und Kollegen gegenüber.

Managen heißt, Optimierung des funktionellen Arbeitsumfeldes der Mitarbeiter mittels einer sehr präzisen Aufgabenstellung und einer ordentlichen Aus- und Weiterbildung zum Erlernen der optimalen Prozesse sowie zur Erreichung einer kollektiven Effizienz.
Leadership beinhaltet die Begleitung der Mitarbeiter in Form eines Coaches.
Die Aufgabe des Managers besteht nicht darin, selber anstelle seiner Mitarbeiter verschiedene Aufgaben auszuführen, sondern darin, zu delegieren und alle Abläufe zu sichern.

Frankreich

In individualistischen Umfeldern ist die Autorität akzeptiert, solange diese Werte vermittelt. Der Leader muss Charisma besitzen und eine unumstrittene “Führungspersönlichkeit” sein, um anerkannt zu werden.

Abgesehen davon ist der Leader „hands on“, das heißt er soll nicht nur delegieren, sondern auch selber mitwirken und zeigen, dass er es kann, wenn möglich, dass er es besser kann als seine Mitarbeiter. Er muss auch zeigen können, wie es geht, um Vorbild zu sein.

Leadership bedeutet, die Gruppe zu mobilisieren und Dynamik in das Team zu bringen.

Der heilige Augustinus sagte einst «Nur wer selbst brennt, kann andere zum Brennen bringen», und der Franzose sagt «Point n’est besoin de leader aux convictions anémiques » („Eine Führungskraft ohne Überzeugungskraft bringt nichts“).

Kommunikation mit Vorgesetzten

Deutschland

In Deutschland sollte man die „formellen“ Dienstwege einhalten. Jeder sollte seine alltäglichen Angelegenheiten zuerst mit seinem direkten Vorgesetzten besprechen.
Tut man dies nicht, fühlt sich dieser umgangen, was zwangsläufig zu einem Konflikt führt. Möchte man zukünftig befördert werden – was in aller Regel durch den direkten Chef eingeleitet wird – sollte man nach Möglichkeit derartige Konflikte vermeiden.

Man praktiziert eine „integrative Strategie“.

Frankreich

Individualisten hingegen haben keinen „vorprogrammierten“ Karriereweg wie in Deutschland. Jeder einzelne Mitarbeiter muss jeden Tag für seine Karriere kämpfen.
Daher versucht man nicht nur einen guten Draht zum direkten Vorgesetzten, sondern zu allen möglichen Verantwortlichen des Unternehmens aufzubauen.

Networking ist eine Aufgabe, die niemals abgeschlossen ist.

So kann man regelmäßig auf sich aufmerksam machen und gegebenenfalls sogar seine Karriere beschleunigen.

Jeder praktiziert seine persönliche Kommunikationsstrategie, die sogar eine Differenzierungsstrategie sein mag, denn jeder versucht sich zu profilieren.

Auch im Alltag streut jeder, ganz willkürlich, „Informationen“ an alle möglichen Beteiligten, auch auf leitender Managementebene, um sich „selbst darzustellen“ und um wahrgenommen zu werden.

Psychologischer Umgang mit Mitarbeitern

Es «menschelt» überall, jedoch in einigen Ländern mehr als in anderen.

Deutschland

In Deutschland ist alles sauber formalisiert, jeder hat eine genaue Aufgabe, wurde bezüglich der idealen Prozesse geschult und soll laut Vorschriften alles loyal ausführen. Die Mitarbeiter wissen, dass dies Voraussetzung für ihre Beförderung ist.

Leadership bedeutet in Deutschland auf einer sehr sachlichen bzw. fachlichen Ebene mit seinen Mitarbeitern zu kommunizieren, wobei man sich hinsichtlich übertriebenen Lobes eher zurückhält (Nicht getadelt ist Lob genug).

Frankreich

Bei den Individualisten haben die Mitarbeiter keine Garantie für ihre Beförderung und sind an ihrem Arbeitsplatz sogar ständig gefährdet. Deshalb brauchen sie ständig Beweise der Anerkennung ihrer Leistung und sind stets auf der Suche nach Zustimmung seitens ihrer Vorgesetzten.

Besonders Franzosen haben einen erheblichen Bedarf an menschlicher Zuneigung.
Der Mensch „will“ sich permanent mit seinen Vorgesetzten abstimmen. Reine schriftliche Dienstanweisungen und Schulungen reichen nicht aus. Die Menschen brauchen Face-to-Face-Gespräche. Regelmäßige Kontakte werden nach Möglichkeit persönlich, oder wenn es nicht anders geht, telefonisch gesucht. Sie brauchen ein mündliches Feedback bezüglich ihrer Aktivitäten und Leistungen.

Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung finden auf “zwischenmenschlicher Ebene” statt.
Management heißt, sich ständig um seine Leute zu kümmern - ansonsten handelt es sich um ein echtes „Managementdefizit“. Hier ist persönliches und menschliches Engagement verlangt, das heißt, man sollte mindestens einmal pro Woche ein Gespräch mit seinen Mitarbeitern führen.

Wichtig ist, für Angelegenheiten anderer immer offen zu sein und als symbolische Geste seine Tür immer offen zu halten – „garder la porte ouverte“. Management bedeutet, stets flexibel zu bleiben und auch unangemeldete Anfragen sowie Besuche zu dulden, sogar zu begrüßen. Dementsprechend sollte man das starre „Abarbeiten“ von Aufgaben vermeiden und sich auf Unterbrechungen vorbereiten.

Die Mitarbeiter erwarten sogar, dass Vorgesetzte spontan auf sie zukommen, so wie es bei den Angelsachsen praktiziert wird - wieder das so genannte „management by wandering around“.

Außerdem ist die emotionale Ansprache der Mitarbeiter sehr wichtig und ohne ständige „Streicheleinheiten“ läuft nichts. Kein Lob ist ein Tadel. In Frankreich ist die Lobkultur ganz besonders bedeutend.

Wenn ein Manager aus Deutschland die französische Tochtergesellschaft besucht, sollte er sich Mühe geben, so viele Mitarbeiter wie möglich persönlich zu begrüßen und jedem ein gutes Wort zu widmen.

Selbstverständlich sollte man nie eine offene Kritik äußern. In dem Kapitel „Beschwerdemanagement“ wird erläutert, wie mit diesem Thema in kritischen Situationen umzugehen ist.

 

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