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Firmenerwerb in Frankreich: Argumentation und Verhandlung

Veröffentlicht am | Von Gilles UNTEREINER

Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich"  

 

Familienunternehmen sind oft das Lebenswerk des Verkäufers. Auch die Eigentümer französischer Firmen wollen die Fortführung ihres Meisterwerks sichern. Abgesehen von einer guten Transaktion wird in den meisten Fällen auch ein Mehrwert für das Unternehmen erhofft.

Dies bedarf des Aufbaus einer Argumentation basierend, selbstverständlich, auf Bewertung und Ankaufskonditionen, aber nicht nur. Um den Deal zu sichern und die Abwanderung von Schlüsselpersonen zu vermeiden, ist eine Mischargumentation mit Finanzierung, Synergien, Fortführungsgarantien, Garantien für das Personal… unerlässlich.

Inhalt des Angebotes

Hier sollte man vorab eine Argumentation über jeden möglichen Mehrwert aufbauen:

  • Bringt man wachstumsförderndes Fremdkapital, so kann das Unternehmen in Forschung und Entwicklung, in zusätzliche Fertigungskapazitäten oder in Marketing und Vertrieb (insbesondere für Drittländer) investieren.
    Im Allgemeinen reicht jedoch der reine finanzielle Beitrag nicht aus, es sei denn, er ist außergewöhnlich groß. Ist dies nicht der Fall, so sollte man zusätzliche Vorteile hervorheben;

  • Bringt man technisches Know-how und eine Produktpalette ein, so ermöglicht man dem Zielunternehmen einen Ausbau der Marktposition bei der nationalen Käuferschaft, den Aufbau von F&E-Partnerschaften und gegebenenfalls auch europäische Finanzhilfen zu bekommen;

  • Wird der Zugang zum deutschen oder sogar zu internationalen Märkten ermöglicht, so dass das Zielunternehmen seine Produkte dort absetzen kann, bietet man einen echten Mehrwert;

  • Bietet man Bestandsgarantien für die bestehenden Mitarbeiter, so fühlen sich die Eigentümer beruhigt.

Es versteht sich von selbst, daß man bei einer Übernahme auch immer darauf bedacht sein wird, das Humankapitel bzw. individuell erworbenes Know-how zu erhalten. Dies sollte man beim Erstkontakt nicht nur verbal ankündigen, sondern auch mittels eines „Quasi-Business Plans“ beweisen.

Dieser sollte unter anderem enthalten:

  • Gründe für die Übernahme;
  • Kapitaleinlagen/ finanzielle Beiträge;
  • Produktsynergien;
  • Vertriebliche Synergien, Märkte;
  • Sicherung von Arbeitsplätzen.

Somit garantiert man, dass man kein „job killer” sein wird, und dass man sich nicht nur die Rosinen herauspicken will "cherry picking". Man liefert den besten Beweis für die echte Bereitschaft, das Unternehmen weiter zu entwickeln und hat somit eine reelle Chance, die guten Mitarbeiter im Unternehmen zu halten.

Form des Zusammenkommens - Das Multi-Varianten-Package

Selbst wenn eine hundertprozentige Übernahme angestrebt ist, ist es empfehlenswert, dem Verhandlungspartner ein „offenes Angebot“ (ein „nicht unfreundliches“ Angebot – „une offre non inamicale“) zu unterbreiten, um zu vermeiden, dass er die Vertragsverhandlungen frühzeitig abbricht.
Franzosen sind Individualisten und brauchen -wie weiter oben schon dargestellt- diese große Entscheidungsfreiheit. Man muss vermeiden, Ihnen nur eine einzige Lösung anzubieten.

Aus diesem Grund sollte die Ansprache verschiedene Kooperationsvarianten sowie mehrere Alternativen in Bezug auf die Höhe der finanziellen Beteiligung vorsehen:

  • Übernahme

    Im Allgemeinen vernachlässigen viele Unternehmer die Nachfolge-problematik. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden zwangsläufig ein Drittel sämtlicher Unternehmen mit der Nachfolgeproblematik konfrontiert. Ruft man dieses Thema bei den Inhabern ins Gedächtnis, so weckt man Interesse.
    Zudem ist es in Frankreich üblich, dass Anteilseigner frühzeitig einen „Cash out“ praktizieren, das heißt veräußern; 
  • Mehrheitsbeteiligung

    Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung mit einem Minimum von 51 Prozent der Anteile. Wer jedoch würde es denn akzeptieren, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren und 49 Prozent seiner Anteile im Unternehmen auf Eis zu legen, wenn er nicht dazu gezwungen ist, das heißt, schon in einer angespannten finanziellen Lage ist? 
  • Minderheitsbeteiligung

    Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, falls sich einer der Gesellschafter zurückziehen möchte oder falls jemand ein „Teil-Cash out“ anstrebte und somit einen Teil seiner Mittel für sonstige Investitionen aus dem Unternehmen herausziehen möchte. Hierbei sollte man nach Möglichkeit eine Sperrminorität einbauen und eine progressive Übernahme der restlichen Anteile vorsehen. Dabei müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, so dass letztendlich tatsächlich ein progressiver Buyout zustande kommt. Hier können verschiedene Varianten, wie bspw. die Übernahme zu einem festgelegten Zeitpunkt, mit oder ohne Übernahmeetappen oder die Definition von Vorkaufsrechten vorgesehen werden.

    Außerdem ist unter Umständen eine Satzungsänderung, wie bspw. eine Anpassung in Bezug auf den Unternehmenszweck und auf die Geschäftsführerordnung notwendig. Gegebenenfalls kann auch ein Beirat zum Zwecke des Reportings, der Beratung und eventuell des Treffens von Entscheidungen in besonderen Fällen eingeführt werden; 
  • Joint Venture (JV)–Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft; 
  • Einfache Partnerschaft

    Als Verhandlungsbasis ist es empfehlenswert, die Trilogie „KBÜ - Kooperation, Beteiligung oder Übernahme“, anzubieten.
    Diese Ansprache wird eine maximale Zahl von Kontakten ermöglichen. Dies weitet den Handlungsspielraum aus. Denn falls die Übernahme eines Unternehmens nicht gelingt, bleibt immer noch die Möglichkeit der Anbahnung einer strategischen Allianz.

Kontaktaufnahme

Alle Unternehmen, die nach dem Screening im Panel übrig bleiben, sind anzusprechen.

Im besten Fall wird durch die Vielfalt der hergestellten Kontakte die eigene Verhandlungsposition gestärkt. Im schlechtesten Fall hat man wenigstens ein ordentliches Benchmarking betrieben.

Hier stellt sich die Frage, ob man eine anonyme oder eine offene Kontaktaufnahme wählen sollte. Wenn die Enthüllung der eigenen Visionen bezüglich des französischen Marktes Nachteile mit sich bringen könnte, sollte man die anonyme Kontaktaufnahme wählen. Ist dies nicht der Fall, sollte man die Ansprache durchaus offen gestalten. Selbstverständlich ist davon auszugehen, dass bessere Erfolge erzielt werden, wenn man mit offenen Karten spielt.

Die eigentliche Kontaktaufnahme erfolgt über die telefonische Ansprache der Gesellschafter.

Da Franzosen sehr opportunistisch eingestellt und neugierig sind, sind sie meistens erfreut und geehrt, angesprochen zu werden.

Vorbereitung der Verhandlung 

Verhandlungen können lang und kompliziert werden. Dabei sollte man sich zweier entscheidender Effekte bewusst sein:

  • Der Ego-Effekt: Fixiert man sich zu sehr auf ein Ziel, so kann eine Verhandlung zu einer Prestigefrage werden;
  • Der Ermüdungseffekt: Hat man viel Zeit und Ressourcen in eine Verhandlung investiert, so liegt die Befürchtung nahe, im Falle eines Verhandlungsabbruchs unnötig viel Energie investiert zu haben.

Beide Effekte führen in der Regel dazu, dass man den „Deal“ unter allen Umständen machen möchte – wenn nötig, auch zu ungünstigen Bedingungen.

Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, zum einen die Verhandlungen mit mehreren Zielunternehmen weiterzuführen, und zum anderen die Grenze, die nicht überschritten werden sollte, klar zu definieren, bevor die einzelnen Zielunternehmen kontaktiert werden. Wird die Grenze überschritten, sollten die Verhandlungen abgebrochen werden.

Die Akteure der Verhandlung 

Bei Verhandlungen dieser Art sollte man zwei Ziele verfolgen:

  • Identifizierung „der Gucker“ (les voyeurs), uninteressanter Kontakte, die selber nur Benchmarking betreiben;
  • Vorantreiben der Verhandlungen mit geeigneten Zielunternehmen und schnellstmögliches Erreichen von Verhandlungsergebnissen.

Wir wissen, dass Franzosen sehr menschenorientiert sind und ein großes Harmoniebedürfnis haben. Aus diesen Gründen ist es ratsam, in Verhandlungen nicht allzu direkt (nicht allzu pushing) zu sein, ansonsten gefährdet man die Verhandlung.

Da die Verhandlungen dennoch voranschreiten müssen, empfiehlt es sich, vor jeder Besprechung ein Rollenspiel zwischen den Teilnehmern des eigenen Teams festzulegen.

Wer wird was sagen? Wer spielt die „Guten“, und wer spielt die „Bösen“?

Gegebenenfalls den Einsatz einer dritten Person als „Aktivator der Verhandlung“ vorsehen. Dessen Aufgabe ist es, der Verhandlung ständig neue Impulse zu geben bzw. als „Moderator“ zu fungieren und den Ablauf der Verhandlung sowie die Einhaltung der Tagesordnung zu kontrollieren, so dass die Transaktion innerhalb des festgelegten Rahmens liegt. Damit wird das Risiko, dass die Verhandlungen in eine Sackgasse führen, deutlich reduziert.

Etappen der Verhandlung 

Ziele des ersten Termines sind in der Regel die Definition der strategischen Ausrichtung („Do we share the same dreams?“) und die Überprüfung auf die Existenz tatsächlicher Synergien. Außerdem muss natürlich auch die Chemie zwischen den Partner stimmen.

Beide Parteien stellen sich vor und präzisieren zur Ermittlung der strategischen Übereinstimmung ihre Grundsätze und Zielsetzungen. Zudem findet eine erste Bewertung möglicher Synergien sowie eine Einschätzung der Vorstellungen des Verkäufers im Hinblick auf den Transaktionsumfang satt.

Die weiteren Termine haben zum Ziel, sich gegenseitig besser kennenzulernen.

  • Deutsche Erwartungen: Man möchte möglichst viele Vorabinformationen bezüglich der Produkte und Technik;

  • Französische Erwartungen: Man möchte möglichst viele Vorab-informationen hinsichtlich der finanziellen Situation austauschen. Franzosen beginnen meist sehr schnell mit Fragen zur Unternehmensbewertung.

Anschließend interessieren sie sich für Märkte und Marktanteile und erst zuletzt für Produkte und sonstige potentielle Synergien.

Im Laufe dieses Prozesses wird oft zumindest von einer der beiden Seiten eine NDA (Non Disclosure Agreement), eine Vertraulichkeitsvereinbarung, verlangt.

Der Inhalt dieses Dokumentes betrifft üblicherweise folgende Themen:

  • vertrauliche Informationen;
  • Schutz der ausgetauschten, vertraulichen Informationen: Kein Weitergaberecht vertraulicher Informationen an Dritte ohne vorherige schriftliche Zustimmung des anderen (Non disclosure provision);
  • Eigengebrauchsrecht erhaltener Informationen (non use provision);
  • Rückgabe bzw. Vernichtung der verbreiteten Informationen;
  • Personen, die befugt sind, Zugang zu den Informationen zu erhalten;
  • Bedingungen und Dauer für den Informationsschutz;
  • Vertragsstrafen: In Deutschland enthalten NDA meist sehr schwere Vertragsstrafen, da man die Weitergabe von Informationen strengstens kontrollieren möchte. Von Franzosen werden diese meistens nicht akzeptiert. Hintergrund ist, dass in Frankreich wesentlich mehr Unternehmens-informationen publiziert werden müssen als in Deutschland und somit das Verhalten bezüglich der Weitergabe von Informationen weniger restriktiv ist.

Verhandlungsmodus / Verhandlungsweise: Erinnerung an die Verhandlunsmethode in Frankreich 

Kontaktaufnahme 

Die Verhandlungen beginnen grundsätzlich auf der persönlichen Ebene. Zunächst gilt es, eine emotionale Beziehung herzustellen, erst dann ist eine sachliche Akzeptanz möglich. Die Beziehung ist wichtig, der Mensch steht klar im Vordergrund und das eigentliche Geschäft anfangs im Hintergrund.

Ziel eines ersten Termins mit einem französischen Geschäftspartner ist es, das Vertrauen seines Gegenübers zu gewinnen und dem Empathiebedürfnis der Franzosen nachzukommen. Es ist wichtig, den Menschen langsam kennenzulernen, sich zu öffnen und sich als Mensch zu zeigen. Der Kennenlernprozess verläuft mit einem ersten Informationsaustausch: man erzählt von sich, seinem Lebensweg, seiner Familie sowie seinen Beweggründen, sich unternehmerisch in Frankreich zu engagieren.

Bedarfsanalyse 

Nach dem Smalltalk zum Einstieg in das Gespräch wird das sachliche Kernthema besprochen. Franzosen empfinden es als unkultiviert, wenn der Besucher direkt mit seinen eigenen Vorstellungen einsteigt. Man sollte zunächst die Absichten der anderen Seite genau ermitteln, bevor man Vorschläge unterbreitet.

Ist die Kontaktaufnahme gut verlaufen, kann man bei der Befragung relativ weit gehen.

  • Die Haupteigenschaften des zum Verkauf stehenden Unternehmens:
    • Art und Umfang der Geschäftstätigkeit;
    • Unternehmensgeschichte;
    • Aufstellung des Unternehmens (Tochtergesellschaften, Produktionsstandorte, etc.);
    • Aktionärsstruktur;
    • Vorstand, Management und Organigramm sowie Aktionärs-struktur.
  • Die Produktlinien und Märkte des Unternehmens:
    • Produkte und Produktlinien (bestehende Produkte, Produkte im Entwicklungsstadium);
    • Marktpositionierung und Wettbewerbsumfeld;
    • Zielkunden
  • Die Finanzen des Unternehmens:
    • Finanzielle Situation (Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, usw.);
    • Mittelfristige Pläne des Unternehmens („Business Plan");
    • Hypothesen bezüglich der künftigen Unternehmensentwicklung
  • Die Vorstellungen hinsichtlich der „Annäherung“.

In Frankreich wird anhand der gewonnenen Informationen aus der Bedarfs- und Motivanalyse ein individuell angepasstes Angebot formuliert. Dieses wird sogar modular, mit Varianten und Alternativen, erstellt, da es sich empfiehlt, auch andere Optionen, wie bspw. eine Beteiligung oder eine strategische Allianz offen zu lassen.

Faxit

In Frankreich läuft die Verhandlung - im Vergleich zu Deutschland – über einen relativ langen Zeitraum. Der Verkauf und die Verhandlungen dürfen nicht erzwungen werden.

Der Wert

Man sollte sich nicht von Anfang an auf die Preisvorstellungen des Verkäufers versteifen, da sich diese im Rahmen der Verhandlung möglicherweise verändern werden. Als Faustregel gilt: „Der Wert ist das, was der Verkäufer möchte. Der Preis ist das, was er bekommt“.

Selbstverständlich kann es hier große Unterschiede zwischen den Vorstellungen des Käufers und des Verkäufers geben, wobei man die Franzosen ständig daran erinnern sollte, dass es sich hierbei nicht um den persönlichen Wert des Inhabers, sondern um den tatsächlichen Unternehmenswert handelt („Nobody wants to pay for the dream of the seller!“ - „Niemand will für die Träume des Verkäufers bezahlen“).

Studien ergeben, dass nach der Due Diligence bei zwei Drittel der geplanten Transaktionen der Kaufpreis reduziert wurde.

 

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