Externes Wachstum: Beteiligungen und Unternehmenserwerb in Frankreich

Veröffentlicht am | Von Gilles UNTEREINER

Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich"  

 

Die Erschließung des französischen Marktes im Rahmen des organischen Wachstums hat Vorteile: geringe Investitionen, geringes Risiko, hat aber den Nachteil, dass man etliche Jahre brauchen wird, um zu einem echten Marktanteil zu kommen. Während dieser Zeit schläft die Konkurrenz nicht und kann gegebenenfalls sein Sortiment und seine Vertriebsstruktur anpassen.

Strategische Allianzen, Beteiligungen und Firmenakquise erlauben die Gewinnung eines bedeutenden Marktanteils in kürzester Zeit.

Strategische Allianzen verlangen nur wenige Ressourcen. Einen Partner zu finden, der sich für ein spezielles Know-how interessiert, ist nicht besonders schwierig. Die langfristige Wahrung der eigenen Interessen ist dagegen ein völlig anderes Thema. Allianzen sind oft instabil, schwierig zu etablieren und zu managen. Zudem sind sie riskant, denn man weiß nie, wer „die Kastanien aus dem Feuer holen“ wird.

Außerdem könnte sie für den sogenannten „Partner“ ein trojanisches Pferd darstellen, wodurch es ihm gelingt, sich ein bestimmtes Know-how anzueignen und sich mit dem Markt vertraut zu machen. Somit besteht die Gefahr, sich neue Wettbewerber zu schaffen.

Oft entstehen bei strategischen Allianzen auf beiden Seiten Enttäuschungen.

Firmenbeteiligungen oder Firmenübernahmen bieten im Gegensatz dazu sicherere Perspektiven.

Abgesehen von kaufmännischen Synergien bieten sie noch andere Vorteile, wie bspw. Kostensenkung, Prozessoptimierung, Vorteile bezüglich der Beschaffung (Verhandlung von Gruppenverträgen, Selektion der besten Lieferanten, E-Procurement, Senkung der Lagerbestände), Optimierung des Back Offices, Konsolidierung von Führungsfunktionen, Pooling von Versicherungen und Weiterentwicklung im Bereich Forschung & Entwicklung (F&E) sowie IT (Nutzung optimaler Ressourcen, Verwaltung von Patenten und Markenrechten).

Zwar sind viele dieser Synergieeffekte zu erwarten, allerdings sollte man sich darüber bewusst sein, dass bei einer solchen Investition der Markt als solcher im Vordergrund steht. Es geht hauptsächlich um Wachstum und Cross Selling.

Die Übernahme eines Unternehmens auf einem Verdrängungsmarkt wie Frankreich führt zu einem sofortigen und bedeutenden Gewinn an Marktanteilen und verschafft dem Übernehmer Vorteile durch eine bereits bestehende Vertriebs- und Dienstleistungsstruktur.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss man einige wichtige Punkte bedenken:

  • Die Wettbewerbsbedingungen in Frankreich legen es nahe, nur solche Unternehmen in die engere Wahl zu ziehen, die bereits über ein echtes Marktpotenzial verfügen;
  • Vertragsverhandlungen sollten nur mit Firmen geführt werden, die hinsichtlich Produktpalette oder Know-how eine echte Ergänzung darstellen und tatsächliche Synergien garantieren.

Potenzial zur Übernahme 

Die entscheidende Frage ist, ob es überhaupt Unternehmen gibt, die zur Übernahme bereitstehen.

Die INSEE, das nationale französische Statistikamt, zählt in Frankreich rund 2,5 Millionen Unternehmen. Davon sind jährlich ca. 50.000 mit der Nachfolge-problematik konfrontiert. 
Rund 40.000 dieser Unternehmen zählen weniger als zehn Mitarbeiter und sind somit für ausländische Investoren von geringem Interesse. Denn Know-how, Marktanteile sowie die Managementkompetenzen sind hier relativ gering.
Weitere 5.000 Unternehmen beschäftigen zehn bis 50 Mitarbieter, 500 Unternehmen beschäftigen 50 bis 250 Mitarbeiter und die restlichen 4.500 Unternehmen beschäftigen mehr als 250 Mitarbeiter.

In Frankreich werden generell 51 Prozent aller Unternehmen, die sich mit der Nachfolge beschäftigen, verkauft. Im Vergleich hierzu werden in Deutschland nur 21 Prozent der Unternehmen in der gleichen Situation verkauft.

 Darüber hinaus kannten französische Unternehmen schon immer „die Kreditklemme“ und sind ständig auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Wenn auch manche Unternehmer nicht sofort verkaufen möchten, so sind doch viele an einer Beteiligung interessiert.

Hier stellt sich die Frage, inwieweit französische Unternehmen Beteiligungen bzw. Fremdkapital gegenüberstehen.
Dazu ist anzumerken, dass in Frankreich 46,5 Prozent aller börsennotierten Unternehmen und 18.000 mittelständische Unternehmen durch ausländische Geldgeber kontrolliert werden.

Eine systematische Suche und eine ordentliche Ansprache möglicher Zielunternehmen unter Berücksichtigung der interkulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich erlaubt meist die Identifizierung und Übernahme eines Unternehmens.

Risiken bei Firmenübernahmen

Viele Studien verdeutlichen die Schwierigkeiten bei einer Firmenübernahme. Sie belegen, dass sich 60 Prozent aller „Deals“ im Nachhinein als unvorteilhaft oder unbefriedigend herausstellen. Eine signifikante Anzahl von Unternehmen verliert innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre nach einer Akquisition zwischen 16 und 49 Prozent des kombinierten Marktanteils. 35 Prozent der gekauften Unternehmen werden in den Folgejahren wieder veräußert.

Der Misserfolg ist in der Mehrzahl der Fälle nicht auf die Mängel der erworbenen Unternehmen zurückzuführen, sondern auf Gründe, die bei den Aufkäufern zu suchen sind.

Oftmals fehlt die klare Strategie und mögliche Synergien wurden überschätzt („be aware of the Synergy trap“), so dass sich den Mitarbeitern die Gründe für die Übernahme nicht erschließen.
Eine Unternehmensübernahme bringt naturgemäß eine Destabilisierung mit sich. Fühlen sich die Mitarbeiter gefährdet, geht man das Risiko ein, dass es einen Kompetenz-Exodus gibt: Die besten Leute verlassen das Unternehmen, andere kündigen innerlich und leisten unter Umständen sogar echten Widerstand.

Bei einer Übernahme im Ausland müssen Überschneidungen hinsichtlich der jeweiligen Aktivitäten weitestgehend vermieden werden. Nur so können maximale Synergieeffekte und dementsprechend auch ein maximaler Nutzen für alle Beteiligten erreicht werden.

Firmenerwerb: Suchstrategie in Frankreich

Zur Definition der Suchstrategie gibt es zwei grundlegende Ansätze. Zum einen den opportunistischen und zum anderen den systematischen Ansatz.
Der opportunistische Ansatz besteht in der Ansprache von Firmen, die bereits ein Verkaufsmandat abgegeben haben.

Ein Unternehmen, das schon ein Verkaufsmandat abgegeben hat, weist folgende Nachteile auf:

  • Die Präsentationsmappe ist oft sehr gut vorbereitet, um "Die Braut zu schmücken“, und mögliche Probleme wurden i.d.R. vorsichtig getarnt;
  • Meistens sind nur sehr wenige Informationen verfügbar, so dass „die Katze im Sack gekauft wird“, was im Nachhinein viele Schwierigkeiten und Kosten verursachen kann;
  • Das Angebot wurde systematisch an alle möglichen Interessenten verteilt, gegebenenfalls auf internationaler Basis, was dazu führt, dass es viele Anbieter gibt, und dass der Preis entsprechend hoch sein wird.

Darüber hinaus ist es oft schon sehr spät, da sich das Unternehmen bereits in einer schwierigen finanziellen Lage befindet, oder weil der Unternehmer seine Nachfolge in keinster Weise vorbereitet hat. Die Folge: Die Übernahme muss in aller Eile erfolgen.

Der systematische Ansatz besteht in der Durchführung einer proaktiven Suche.

Es empfiehlt sich also, ein Idealprofil mit optimaler Marktpositionierung und komplementärer Produktpalette, welches maximale Synergieeffekte garantiert, zu definieren. Außerdem sollten alle Unternehmen, die mit diesem Profil übereinstimmen, angesprochen werden, egal ob ein Verkauf angedacht ist oder sogar angekündigt wurde oder nicht.
Hintergrund ist, dass ein Drittel aller in Frage kommenden Unternehmen wahrscheinlich relativ zeitnah mit der Nachfolgeproblematik konfrontiert wird. Der Rest könnte aus anderen Gründen (wie etwa finanzielle Mittel zu Expansionszwecken) interessiert sein.

Zur Identifizierung des idealen Unternehmens müssen vorab folgende Schritte durchgeführt werden:

  • Profildefinition unter Berücksichtigung der angestrebten kaufmännischen Synergieeffekte, Produkte, Märkte und der gewünschten Vertriebsstruktur;
  • Aufbau eines umfassenden Portfolios von Zielunternehmen;
  • Qualifizierung der einzelnen Zielunternehmen: Finanzlage, Aktivitäten, Marktposition, Branche, Kundschaft usw.;
  • Kontaktaufnahme mit allen infrage kommenden Zielunternehmen;
  • Im Rahmen der ersten Gespräche ist darauf zu achten, den Zielunternehmen Alternativen in Bezug auf Kooperationsart und Höhe der finanziellen Beteiligung der Übernahme aufzuzeigen.

Es sollte keine Transaktion gestartet werden, wenn das entsprechende Unternehmen nicht voll und ganz allen Ansprüchen genügt.

Die Branche und das Geschäftsfeld der Zielgruppe

Regel Nummer eins: Schuster, bleib bei Deinem Leisten!

Diverse Studien zeigen, dass Übernahmen von Unternehmen in angrenzenden Bereichen eine Steigerung des Shareholder Value bewirken, während die Diversifizierung in unternehmensfremde Bereiche den Shareholder Value mindert.
Eine allzu weite Entfernung vom eigentlichen Kerngeschäft ist meistens eine Fehlentscheidung.

Dementsprechend sollte man nur Unternehmen in benachbarten Geschäftsfeldern ins Auge fassen.

Zur Vermeidung von Mitarbeiterverlusten empfiehlt es sich nicht, direkte Mitbewerber anzusprechen, sondern Unternehmen, bei denen Chancen zum Cross Selling von Produkten oder Dienstleistungen bestehen.

Dies bietet außerdem eine gute Gelegenheit zur Verbreiterung des eigenen Sortiments und zur Optimierung der eigenen Vertriebsstruktur.

 Direkte Mitbewerber sollten nur dann angesprochen werden, wenn es darum geht, seinen internationalen Kunden zu folgen, da immer mehr Key Accounts europäische Rahmenverträge möchten.

Die Größe des anvisierten Unternehmens

Möchte man für den Absatz seiner Produkte ausschließlich den lokalen Markt bearbeiten, ist es ratsam, nur jene Unternehmen anzuprechen, bei denen man sich sicher ist, dass man ihre Kompetenzen braucht, und dass es weder zu einer Verschlankung (Down-Sizing) noch zur Veräußerungen von Geschäftsfeldern („Divestments“) kommen wird.

Kleine Unternehmen bieten den Vorteil, dass sich der erforderliche finanzielle Aufwand in Grenzen hält, und die Einflußnahme wesentlich einfacher sein wird als bei großen. Ein solches Unternehmen kann als gute Ausgangsbasis für eine Weiterentwicklung genutzt werden.
Der Nachteil: Kleine Unternehmen verfügen meist über nur wenige Managementkapazitäten. Dabei besteht das erhebliche Risiko darin, dass eine wichtige Schlüsselführungskraft das Unternehmen verlässt, wodurch jenes stark gefährdet wird.

Große Unternehmen bieten den Vorteil, dass sie in der Regel über ein relativ strukturiertes Management verfügen, welches auch dann fähig ist, das Unternehmen zu führen, wenn eine Führungskraft das Unternehmen verlassen sollte.
Der Nachteil: Zum einen ist der finanzielle Aufwand recht hoch und zum anderen wird der Managementstil nicht ohne weiteres beeinflusst werden können, weil das Unternehmen normalerweise über eine starke Unternehmenskultur verfügt.

Das Zielunternehmen sollten nicht mehr als 30 Prozent seines eigenen Gesamt-umsatzes machen.

Die finanzielle Lage der Unternehmen

Hat man die Alternative zwischen einem gesunden und einem angeschlagenen, neu auszurichtenden Unternehmen, sollte man berücksichtigen, dass das Ziel weniger in einem finanziellen Deal, sondern im Zugang zum Markt besteht.

Sind Unternehmen in eine schwierige finanzielle Lage geraten, gibt es meist interne Konflikte.
Generell erfordert eine Firmenintegration ein bis zwei Jahre.
Bei Firmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, sind meistens drei bis fünf Jahre erforderlich.
Wer kann ein Führungskräfte-Team mit interkulturellen Kompetenzen, Erfahrungen und Kentnissen bezüglich des französischen Marktes - und noch dazu zweisprachig - auf eine solche lange Zeit zur Verfügung stellen?

Die Kombination aus fachlicher Kompetenz und Mehrsprachigkeit ist eine Seltenheit und als Ressource meist nicht vorhanden.

Verfügt man über keinerlei Marktkenntnisse, so ist es etwas überheblich, ein in Schwierigkeiten geratenes ausländisches Unternehmen sanieren zu wollen, wenn es dem lokalen Team nicht gelungen ist. Ein zahlungsunfähiges Unternehmen sollte nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn es einen offensichtlichen Technologievorsprung hat oder Marktführer ist.

Ist dies nicht der Fall, ist es empfehlenswert, nur in solche Unternehmen zu investieren, deren finanzieller Zustand mehr oder weniger in Ordnung ist.

  

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