Auszug aus der Veröffentlichung "Frankreich lohnt sich"
Ganz gleich, ob man die Rekrutierungsmaßnahme per Anzeigenschaltung oder Direktansprache gestaltet, um interessante Bewerbungen zu generieren, bedarf es stets einer attraktiven Ansprache. Deutsche Anzeigen sind meistens sehr fachbezogen.
Die Aufgabe: Eine Herausforderung beschreiben
Der Individualist fühlt sich sehr schnell durch die Routine belastet und braucht eine abwechslungsreiche Tätigkeit. Daher sollte unbedingt die Vielfalt des Tätigkeitsbereiches - die zwangsläufig im Zusammenhang mit vertrieblichen Aufgaben im Ausland gegeben ist - dargestellt werden.
An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass das „Mitdenken“ bezüglich aller Marketingthemen, Vertriebs-Service-Politik, Werbung sowie Messevor- und Messenachbereitung gefordert ist.
Wichtig ist zu verstehen, dass „mitdenken“ nicht „mitbestimmen“ bedeutet – darauf wird später detailliert eingegangen.
Karriere
In seinem „eigenen Land“ wird dem Bewerber nicht unbedingt eine strukturierte Karriereplanung geboten. Im Gegensatz dazu bietet eine expandierende Tochtergesellschaft in der Regel interessante Abwechslungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen und Zukunftsperspektiven. Egal, ob es sich bei den Perspektiven um die funktionale Entwicklung (bspw. die Entwicklung zum internationalen Key Account Manager) oder um die hierarchische Entwicklung (bspw. die Übernahme von leitenden Aufgaben innerhalb des Unternehmens) handelt, sie sollten systematisch in der Stellenanzeige dargestellt werden.
Vertriebsunterstützung
Französische Unternehmen investieren meistens weniger in die Generierung von Leads bzw. in das Marketing (Werbung, Messen, usw.) als es in Deutschland der Fall ist. Die Außendienstmitarbeiter sind somit meist ausschließlich auf große Eigeninitiative angewiesen (Telefonakquise), um den Kontakt mit potentiellen Kunden herzustellen.
Marketinginvestitionen sollten – sofern diese vorgesehen sind – unbedingt erwähnt werden, da eine erhebliche Investition seitens des Unternehmens für Franzosen nicht selbstverständlich ist.
Bewerberauswahl
Vorselektion der Bewerbungen
Da in Frankreich davon ausgegangen wird, dass sich Leute mit gesundem Menschenverstand überall anpassen können, wird sich nicht selten auf Positionen in Branchen, in denen man keinerlei Erfahrung mitbringt, beworben.
Franzosen streuen ihren Lebenslauf kreuz und quer - auch wenn sie nicht unbedingt dem auf der Anzeige beschriebenen Profil entsprechen. Sie praktizieren eine Art Flaschenpost («La bouteille à la mer »), in der Hoffnung, dass irgendjemand irgendwann zugreifen und ihnen die Chance einer neuen Herausforderung geben wird.
Aus diesen beiden Gründen erhält man viele Bewerbungen, die meistens nicht passend sind.
Somit gilt es im Zuge der Bewerbervorauswahl die Exoten, die oftmals einen Anteil von bis zu 80 Prozent darstellen, herauszufiltern.
Dafür sind aber die Bewerbungsunterlagen nicht immer ausreichend.
Die Anschreiben („Les lettres de motivation à la Française“) sind oft nicht sehr aussagekräftig. Sie enthalten vor allem subjektive Einschätzungen zu Motivation und Dynamik, nicht aber objektive, den Werdegang betreffende Informationen.
Selbst der Lebenslauf bietet meist nur allgemeine Informationen über frühere Arbeitgeber und sehr wenig Informationen über frühere Tätigkeiten, vertriebene Produkte oder angesprochene Zielgruppen.
Die Arbeitszeugnisse beinhalten meistens nur Informationen über den Beschäftigungszeitraum. Informationen über das Tätigkeitsfeld oder gar eine Leistungsbeurteilung sind nicht in französischen Zeugnissen enthalten.
Um sich einen fundierten Eindruck verschaffen zu können, muss man unbedingt mit dem jeweiligen Bewerber ein Telefoninterview führen. Dabei werden das Verständnis des Stellenprofils, die Sprachkenntnisse, die Produkt- und Branchenerfahrung, die funktionelle Erfahrung (Akquise, Vertrieb, Marketing, Vertriebsleitung, Management usw.), sowie die Gehaltsvorstellungen überprüft.
Da Bewerber nicht selten davon ausgehen, dass ausländische Arbeitgeber großzügiger sind und dementsprechend wesentlich höhere Gehaltsansprüche stellen, sollte man frühere Gehaltsabrechnungen verlangen. „Fragen kostet nichts“ - das gilt auch in Frankreich.
Aus diesen Gründen dauert die Vorselektion wesentlich länger als in Deutschland.
Auswahlkriterien
Gerade wenn es um den „Mann der ersten Stunde“ geht, braucht man einen Mitarbeiter, der idealerweise Erfahrungen im kaufmännischen Bereich, Marketing-erfahrung, bestehende Kontakte, Managementkenntnisse und Organisationstalent mitbringt.
Solche Mitarbeiter haben jedoch in der Regel bereits ein bestimmtes Alter erreicht. Dabei wird sich die Frage stellen, ob es sich beim Bewerber um einen „alten Hasen“ oder um "altes Eisen“ handelt.
Wenn sie Kenntnisse und Erfahrungen mitbringen:
- haben sie meistens sehr hohe finanzielle Forderungen;
- wollen sie nicht mehr allzu intensiv im Außendienst arbeiten – und das, obwohl dies die Haupttätigkeit darstellt;
- werden sie danach streben, eine aufwändige Struktur aufzubauen - und dies nicht immer mit Rücksicht auf deren Rentabilität.
Der optimale Bewerber ist meist der, der noch aktiv im Außendienst tätig ist, und dem man im Erfolgsfall echte Zukunftsperspektiven bieten kann. Für ein solches Profil ist die Aufbautätigkeit eine reizvolle Herausforderung „un challenge“, und eine Chance, für die er sich voll engagieren wird.
Schwachpunkte, insbesondere technischer Art, müssen zwar kompensiert werden, allerdings sollte man dies nicht als Fehlinvestition betrachten, da Schulungen und Weiterbildungen auch der Mitarbeiterbindung dienen.
Finale Bewerberauswahl
Aufgrund der spezifischen Karriereplanung des Landes nutzen Franzosen meist den beruflichen Wechsel zur Weiterentwicklung, um einen Karrieresprung zu machen.
Dabei kann es vorkommen, dass sie ihre Fähigkeiten überschätzen, sogar bluffen, um an eine neue Position zu gelangen („Self Advertisement“).
Ist dies der Fall, so sollte man dies nicht negativ bewerten, sondern als Zeichen zukünftigen Engagements betrachten. Gibt man diesem Bewerber eine Chance, so wird er sich mit vollster Leistungsbereitschaft einsetzen.
Dennoch müssen alle Behauptungen des Kandidaten im Laufe des Qualifizierungsgespräches sorgfältig analysiert werden um letztlich die wahren Fähigkeiten des Bewerbers einschätzen zu können.
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- In Bezug auf die Qualifikationsgespräche ist es empfehlenswert, überschneidende Fragen (Kontrollfragen) zu stellen, generell mehrere Bewerbungsgespräche durchzuführen sowie mehrere Personen (Verkaufsleitung, Technik, Management) zu involvieren.
Nach mehreren Gesprächen wird der Bewerber „warm“ und liefert mehr und mehr Informationen; - Für Kandidaten der engeren Wahl („Shortlist“) ist es im Gegensatz zu Deutschland üblich, zwischen den ersten beiden Gesprächen ein „Graphologisches Gutachten“, eine Schriftbildanalyse, die in Frankreich sehr oft im professionellen Umfeld angewandt wird, durchzuführen. Alternativ dazu kann auch ein psychologisch fundierter Persönlichkeitstest ohne großen Aufwand online durchgeführt werden;
- Die letzte Maßnahme vor dem Finalgespräch ist das Einholen von Referenzen bei ehemaligen Arbeitgebern. Da Franzosen sehr emotional sind, werden negative Erfahrungen meistens mitgeteilt.
Projektplanung
Profildefinition | KW 0 |
Anzeigenschaltung | + 1 Woche |
Eingang der Bewerbungen | + 4-6 Wochen |
Vorauswahl der Bewerbungen und Kontaktaufnahme | + 2 Wochen |
Telefonische Qualifikationsgespräche | + 3 Wochen |
Graphologisches Gutachten | + 1 Woche |
Erste persönliche Bewerbungsgespräche | + 2 Wochen |
Zweite persönliche Bewerbungsgespräche | + 1 Woche |
Vertragsunterschrift | + 2 Wochen |
Gesamtdauer | 16 bis 18 Wochen |
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